Sonnenschutz / EuGH Urteil Titandioxid / Fluorid / Mikroplastik Leitfaden / Phenacetin
Aktuell werden die EU-Empfehlung zu Sonnenschutzmitteln überarbeitet und im Mitgliederbereich finden Sie Vorschläge interessierter Mitgliedstaaten mit der Bitte um Kommentare bis spätestens 20.8.2025 an mail@icada.eu. (Mehr dazu in der Rubrik Neues aus unserer Tätigkeit in den EU-Gremien.) Im Folgenden informieren wir Sie zudem umfassend über das EuGH Urteil zu Titandioxid vom 1.8.2025, ein BfR Dossier zu Fluoriden und das Verbot von TMPTA und Phenacetin in Südostasien. Den Mikroplastik-Leitfaden der EU-Kommission finden Sie unter dem angegebenen Link. Und in unserer Rubrik NEM geht es ebenfalls um Fluorid und um Selen.
Zusammenfassung des EuGH Urteils vom 1.8.2025 zur Einstufung von Titandioxid
Das Europäische Gericht (EuG) hatte am 23. November 2022 die Delegierte Verordnung (EU) 2020/217, mit der Titandioxid in Pulverform als wahrscheinlich krebserzeugend beim Einatmen eingestuft wurde, für nichtig erklärt – soweit sie Pulver mit mindestens 1 % Partikeln unter 10 μm betrifft. Grund: offensichtliche Bewertungsfehler bei der wissenschaftlichen Grundlage.
Gegen dieses Urteil legten unter anderem die EU-Kommission und Frankreich Rechtsmittel ein. Frankreich kritisierte u. a., dass Gericht habe:
Beweise falsch gewertet (z. B. die „Heinrich-Studie“ zu stark gewichtet),
seine Kontrolle überschritten, indem es eigene Bewertungen anstelle der Fachgremien (v. a. des RAC der ECHA) gesetzt habe,
Rechtsfehler und Begründungsmängel begangen.
Der EuGH (der Europäische Gerichtshof) wies nun alle Rechtsmittel zurück und bestätigte Anfang August die Nichtigerklärung der Einstufung. Zwar habe das Gericht in Teilen seine Kontrollbefugnis überschritten, aber dennoch zurecht entschieden, dass die wissenschaftliche Bewertung durch den RAC unzureichend war.
Fazit: Die Einstufung von Titandioxid als krebserzeugend im Rahmen der Verordnung (EU) 2020/217 bleibt aufgehoben.
Titandioxid in Kosmetik: Zurzeit läuft eine SCCS Begutachtung zu verschiedenen pigmentären Titandioxidformen in der Kosmetik. Es ist zu hoffen, dass die gerichtliche höchstinstanzliche Festlegung, dass Beweise falsch gewichtet wurden, auch diesem Verfahren Beachtung findet.
Zu Titandioxid in Lebensmitteln finden Sie einen Kommentar weiter unten in unserer Rubrik NEM.
Wie verhält es sich mit Titandioxid in Arzneimitteln?
Die Kommission hatte sich verpflichtet, bis April 2024 zu prüfen, ob Titandioxid (E 171) weiterhin als Farbstoff in Arzneimitteln verwendet werden darf. Jetzt gibt es ein Commission Staff Working Dokument vom 4. August (SWD(2025)244), das die technische und regulatorische Machbarkeit eines Ersatzes von Titandioxid bewertet. Dabei wurden Stabilität, Bioäquivalenz, Herstellungsverfahren und Zulassung berücksichtigt.
Die Kommission kommt zu dem Schluss, dass ein pauschaler Verzicht auf Titandioxid derzeit nicht umsetzbar ist, ohne Versorgungssicherheit und Produktqualität zu gefährden. Sie empfiehlt eine Einzelfallprüfung, enge Zusammenarbeit mit Industrie und Behörden sowie den Verzicht auf einen EU-Alleingang, um Wettbewerbsnachteile zu vermeiden. Die pharmazeutische Industrie bleibt aufgefordert, wissenschaftlich fundierte Alternativen zu prüfen. Die Kommission beobachtet die Entwicklung weiter und schließt künftige regulatorische Maßnahmen nicht aus.
Das BfR hat in einer Veröffentlichung zu Titandioxid verschiedene Aspekte zusammengefasst und betont, dass die aktuelle Studienlage zu Titandioxid in Bezug auf Genotoxizität und Kanzerogenität komplex und uneinheitlich ist.
Fluorid
Interessant ist auch, dass das BfR ein Dossier über Fluorid erstellt hat, insbesondere da Frankreich Natriumfluorid als reprotoxische 1 B und als endokrinen Disruptor auf die Liste der Intentions der ECHA gestellt hat. Es wird diskutiert, ob eine hohe Fluoridzufuhr bei Schwangeren oder Säuglingen mit verminderten kognitiven Fähigkeiten bei Kindern zusammenhängt.
Das US National Toxicology Program (NTP) und die EFSA haben dazu verfügbare Studien bewertet. Die Daten stammen überwiegend aus Beobachtungsstudien in Ländern mit hohen Fluoridwerten im Trinkwasser (>1,5 mg/l). Diese deuten auf einen möglichen Zusammenhang mit niedrigeren IQ-Werten hin. Ein kausaler Zusammenhang ist jedoch nicht nachweisbar, da viele Studien methodische Mängel aufweisen, z. B. unzureichende Berücksichtigung anderer Einflussfaktoren wie Ernährung oder sozioökonomischer Status. Auch physiologische Mechanismen bleiben unklar.
Das BfR sieht daher derzeit keinen Anlass, Fluorid als neurotoxisch einzustufen. Die EFSA kommt 2025 ebenfalls zu dem Schluss, dass bei Fluoridwerten unter 1,5 mg/l – wie in Deutschland – keine Belege für schädliche Wirkungen auf die Hirnentwicklung vorliegen, wobei hier weitere Forschung als notwendig angesehen wird. Zur Kariesprophylaxe empfiehlt das BfR insbesondere die lokale Applikation von fluoridhaltigen Zahnpflegemitteln.
In unserer Rubrik NEM finden Sie weitere Informationen zu Fluorid.
Mikroplastik
Der erste Teil des Leitfadens zur Umsetzung der EU-Beschränkung für synthetische Polymermikropartikel (Mikroplastik) wurde nun ins Deutsche übersetzt.
ASEAN Verbot von TMPTA und Phenacetin in Kosmetika
Die Mehrheit der ASEAN-Mitgliedstaaten hat sich aus gesundheitlichen Gründen für ein Verbot von Trimethylolpropantriacrylat (TMPTA, CAS 15625-89-7) und Phenacetin (CAS 62-44-2) in Kosmetika ausgesprochen. TMPTA, ein in Anhang II Nr. 1718 gelisteter verbotener Stoff der EU Kosmetikverordnung, ist als krebserregend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend (CMR-Kategorie 2) sowie als Hautsensibilisator vom Typ 1A eingestuft. Phenacetin, das als Lichtstabilisator eingesetzt wird, gilt als potenziell krebserregend. Die Verbote wurden auf der 41. Sitzung des ASEAN Cosmetic Scientific Body (ACSB) beschlossen und treten nach einer Übergangsfrist von 24 Monaten am 24. April 2027 in Kraft.